Berlin Review
Why do we live here?
Lesung und Gespräch mit Ryan Ruby, Lauren Oyler und Tobias Haberkorn.
Zu Berlin Reviews Prelaunch 2 nähern sich Ryan Ruby und Lauren Oyler dem modernen Bösewicht namens Expat und spüren ihrer Nostalgie für Dinge nach, die es niemals gab. Warum nochmal sollte man in der Hauptstadt Deutschlands leben? Ruby und Oyler lesen Textauszüge und diskutieren mit BLNR-Editor Tobias Haberkorn.
«A boring, foreign city, and expensive to live in, too…»
Berlin is over: Den Abgesang auf die Stadt der Freiheit und des Experiments gibt es seit zwanzig Jahren, doch jetzt scheint er sich zu bewahrheiten. Wenn Clubs und öffentliche Räume schließen, machen keine neuen mehr auf, selbst Fans der sanften Anarchie wünschen sich eine energischere Stadtverwaltung, und der Sommer der politischen Sorglosigkeit, in dem man sich in Berlin länger sonnen konnte als anderswo, ist endgültig vorbei. Viele, die im vergangenen Jahrzehnt hierhergezogen sind, fragen sich: Was genau war nochmal erstrebenswert daran, in der deutschen Hauptstadt zu leben?
Für Vladimir Nabokov—oder einen Freund, den er zitiert—war schon 1925 klar: Berlin ist eine «langweilige, fremde, noch dazu teure Stadt». Weniger klar ist, was die Alternativen wären. Städte sind zu «brands» geworden, Verdrängung und «Startupisierung» ist nicht nur ein Berliner Phänomen, und das Zusammenleben von Reichen und Armen, Zugewanderten und Alteingesessenen, Normalisierten und Marginalisierten sorgt in den meisten Städten für Spannungen.
Die Frage, wo und wie man leben soll, ist durchdrungen von Kontingenz und Nostalgie: Warum bin ich weggegangen? Wäre ich woanders nicht besser aufgehoben als hier? Warum entspricht die Realität nicht meinen Vorstellungen und Projektionen?
Während Migrant:innen aus der Notwendigkeit handeln, Sicherheit und ein besseres Leben zu finden, scheinen Expats aus einer Laune heraus umgesiedelt zu sein, weil ihnen ein bestimmter Lifestyle gefiel oder die Mieten billig waren. Expats gelten als Gentrifizierer und Ahnungslose, als Privilegierte und «entwurzelte Kosmopoliten», die Kieze ausbeuten und weiterziehen. Aus einer romantischen Figur ist ein Bösewicht geworden. Wen interessiert, was Expats selber denken und warum sie tun, was sie tun?
In einem Essay für Berlin Review setzt Ryan Ruby sich mit den Fragen von Auswanderung und Exil auseinander und liest seine eigenen Erfahrungen als in Los Angeles geborener Wahlberliner durch das Prisma der russisch-amerikanischen Philosophin Svetlana Boym und ihrer Theorie der Nostalgie und des «Off-Modernen». Verstärkt wird unser Gesprächsabend durch Lauren Oyler, die die Beziehung zwischen Nostalgie, Expats und Globalisierung in ihrem demnächst erscheinenden Essayband No Judgment untersucht. Wir lesen und diskutieren Auszüge aus ihren Texten, moderiert von Tobias Haberkorn.
Lesungen und Gespräche auf Englisch. Freier Eintritt, keine Reservierungen. Begrenztes Sitzplatzkontingent.
Eine Audioversionen von Ryan Rubys Essay und ein Mitschnitt unserer Gespräche werden nach dem Event auf unserer Website und in unserem Podcast-Kanal bereitgestellt.
Ryan Ruby ist Autor und Literaturkritiker. Er wurde in Los Angeles geboren und lebt seit 2014 in Berlin. Seine Essays und Kritiken erscheinen unter anderem in New Left Review, The New York Review of Books und im New Yorker. Sein Roman The Zero and the One wurde 2017 veröffentlich, sein siebenteiliges Langgedicht Context Collapse erscheint kontinuierlich. Er schreibt an einem Buch über die Berliner Ringbahn.
Lauren Oyler kommt aus West Virginia. Nach Jahren zwischen New York und Berlin verschiffte sie 2021 «all mein Zeug hierher», wie sie in ihrem Essayband No Judgment schreibt, der im März 2024 erscheint. Zu ihren jüngeren journalistischen Texten gehört ein Essay über Gwyneth Paltrows «Goop»-Kreuzfahrt und eine Reisereportage über W. G. Sebalds Heimatort Wertach im Allgäu, erschienen in Harper’s Magazine.
Tobias Haberkorn ist Gründungsredakteur von Berlin Review.