Displayed Words
Ingeborg Bachmann, Angélica Freitas, Hassan Khan, Otis Mensah, Rafael Moreno, Nazanin Noori, Nhã Thuyên, Kinga Tóth

Sprache, Text und Poesie im Bezirksamt Mitte, Rathaus Tiergarten und online auf displayedwords.org

Bezirksamt Mitte, Rathaus Tiergarten
Mathilde-Jacob-Platz 1
10551 Berlin
(Google Maps)

 

U9 Turmstr.
M10 U Turmstr.
Bus 101, 123, 187,245, M27 U Turmstr.

Hassan Khan, Totem & Taboo, Ausstellungsansicht, Displayed Words, Bezirksamt Mitte, Rathaus Tiergarten, CCA Berlin, 2024. Foto: Diana Pfammatter/CCA Berlin

Nazanin Noori, LAMENTATION 1,2, Ausstellungsansicht, Displayed Words, Bezirksamt Mitte, Rathaus Tiergarten, CCA Berlin, 2024. Foto: Diana Pfammatter/CCA Berlin

Displayed Words ist ein Experiment im Umgang mit Sprache, Text und Poesie in digitalen Formaten und im öffentlichen Raum. Die zweite Ausgabe von Displayed Words findet im Bezirksamt Mitte, Rathaus Tiergarten statt, wo Texte von Ingeborg Bachmann, Angélica Freitas, Hassan Khan, Otis Mensah, Rafael Moreno, Nazanin Noori, Nhã Thuyên und Kinga Tóth auf einer digitalen Anzeigetafel auf dem Balkon über dem Haupteingang präsentiert werden. Jetzt, im letzten Monat, sind Werke von Hassan Khan und Nazanin Noori zu sehen.

Totem & Taboo ist eine Textarbeit des Künstlers Hassan Khan, die vom CCA Berlin für Displayed Words in Auftrag gegeben wurde. Das Gedicht besteht ausschließlich aus Zitaten aus einem Artikel der New York Times aus dem Jahr 2023, in dem die Beendigung der jahrzehntelangen Partnerschaft zwischen Adidas und Kanye West und die Ambivalenzen, die dabei entstanden sind, untersucht werden. Khans Methode besteht darin, den vorhandenen Artikel absichtlich zu sampeln, um eine öffentlich zugängliche Erzählung einer wahren Geschichte zu erstellen, die den Kontext immer im Blick behält. Durch die Platzierung der Arbeit an einem so öffentlichen Ort – dem Rathaus Tiergarten – greift das Stück aktuelle lokale und globale Debatten auf und bietet gleichzeitig eine kritische Untersuchung der Medienrhetorik und der Unternehmenslogik der Darstellung, wenn es um Diskriminierung und Antisemitismus geht. Die öffentliche Zurschaustellung des New York Times-Artikels – jetzt neu arrangiert und mit einem neuen Rhythmus versehen – verleiht den Wörtern und Sätzen eine aufgeladene kritische Wirkung und regt die Betrachter*innen dazu an, über die folgenden Fragen nachzudenken: Wer ist mitschuldig und wer wird nach welchen Maßstäben zur Rechenschaft gezogen? Welche Äußerungen werden unter welchen Umständen als akzeptabel oder verwerflich angesehen? Was passiert, wenn der Profit der Rechenschaftspflicht im Weg steht?

Nazanin Nooris LAMENTATION 1,2, ein neues Gedicht der Künstlerin, ist ebenfalls zu sehen. „LAMENTATION 1,2“ ist ein Lied über Trauer und Kummer. Mit ihrem Hintergrund in experimenteller Musik und Theater hat Noori ihre Arbeit in den letzten Jahren auf Text und Poesie ausgeweitet und erforscht weiterhin die psychischen Dimensionen von Protest und politischer Mobilisierung. Das Gedicht besteht aus zwei ineinander verwobenen Stimmen, die einen Gegenpol zueinander bilden, und inszeniert eine Beziehungsszene, die die Grenze zwischen dem Trauernden und den Menschen, um die getrauert wird, verwischt. Auf ergreifende Weise öffnet sich die Arbeit für Erinnerungen und Assoziationen an Krieg, generationenübergreifende Traumata und den Verlust von Heimat und Verwandtschaft.

Das Rathaus ist ein Ort, der unsere soziale Existenz bürokratisch gestaltet, und den jede* besuchen musste, unabhängig von Race, Gender, Klasse, Religion, Status und Herkunft. Die Zusammenarbeit zwischen CCA Berlin und dem Bezirksamt Mitte in Kooperation mit dem Berliner Künstlerprogramm des DAAD konzentriert sich auf die Präsentation von Poesie an einem solchen öffentlichen Ort und bringt eine Gruppe von Schriftsteller*innen/Künstler*innen zusammen, deren Praxis sich zwischen verschiedenen Bereichen bewegt. Diese Künstler*innen arbeiten jenseits der konventionellen disziplinären Grenzen, indem sie die spezifischen formalen Merkmale jedes Mediums nutzen und dadurch eine emanzipierte Sprache entstehen lassen. Sie erfinden neue Grammatiken und Vokabeln, vermischen Fiktion mit Fakten, Poesie mit Politik, und spielen mit Wörtern, um neue Ausdrucksmöglichkeiten zu schaffen. In einer Zeit, in der Identitäten immer vielschichtiger und die Bedeutungen immer brüchiger werden, kann die Ambivalenz der Sprache als Ressource dennoch unendlich viele Möglichkeiten für neue Erzählungen eröffnen.

Displayed Words möchte fragen: Wer und was definiert den Raum, in dem Wörter abgebildet und Bedeutungen erzeugt werden? Wie verändert sich die Wahrnehmung von Text von einem Medium zum anderen? Displayed Words spielt mit der Verständlichkeit von Text und seinen vielfältigen Darstellungen; es stellt Fragen nach dem Kontext, in dem Literatur und Poesie wahrgenommen und verstanden werden können. Schließlich fragt es, wie Text vermittelt wird und in welcher Sprache der dominante Diskurs und die Literatur in einer Metropole wie Berlin kommuniziert werden. Wie verhält es sich mit Sprachen, die als minoritär gelten und die man in der Stadt in alltäglichen Begegnungen hört, wie z. B. Russisch, Türkisch, Arabisch, Vietnamesisch, oder Spanisch … ?

Das Projekt wirft auch die Frage nach der Übersetzung auf, nach der Vielfalt von Idiomen, Registern und Lexika, die unser Verständnis der Welt eher verkomplizieren als wiederum bestätigen. Displayed Words  möchte die Beziehung zwischen Autor*in und Leser*in neu gestalten und darüber nachdenken, wie eine lebendige, vibrierende und manchmal zerbrechliche Sprache über den Grenzraum eines Buches oder einer Seite hinaus bewohnt werden kann. Wir möchten neue Wege des Verständnisses von Poesie erkunden, in Bezug auf den urbanen Raum, auf seine Realitäten, Utopien und Träume, auf die Geschwindigkeit, mit der er sich verändert und entwickelt, manchmal auch auf seine Unordnung und Eintönigkeit, und auf die Vielzahl von Begegnungen, die die Stadt in sich birgt.

Gefördert durch die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt durch Projektmittel von Draussenstadt, und durch das Berliner Künstlerprogramm des DAAD.
 

​Auf dem Display zu sehen:

15.12.2023–31.01.2024
Otis Mensah, Nhã Thuyên
01.02.–29.02.2024
Rafael Moreno, Kinga Tóth
01.03.–31.03.2024
Angélica Freitas, Ingeborg Bachmann
01.04.–30.04.2024
Nazanin Noori, Hassan Khan

Das Programm wird von einer Reihe von Lesungen begleitet.

14. März 2024, 19 Uhr, daadgalerie
Lesung mit Nhã Thuyên und Angélica Freitas26. März 2024, 19 Uhr, Bärenzwinger
Lesung mit Kinga Tóth und Rafael Moreno

 

Nhã Thuyên, Displayed Words, Ausstellungsansicht, Bezirksamt Mitte, Rathaus Tiergarten, CCA Berlin, 2023. Foto: Diana Pfammatter/CCA Berlin

Rafael Moreno, Displayed Words, Ausstellungsansicht, Bezirksamt Mitte, Rathaus Tiergarten, CCA Berlin, 2023. Foto: Diana Pfammatter/CCA Berlin

Otis Mensah, Displayed Words, Ausstellungsansicht, Bezirksamt Mitte, Rathaus Tiergarten, CCA Berlin, 2023. Foto: Diana Pfammatter/CCA Berlin

Kinga Tóth, Displayed Words, Ausstellungsansicht, Bezirksamt Mitte, Rathaus Tiergarten, CCA Berlin, 2023. Foto: Diana Pfammatter/CCA Berlin