Home Is Where We Displace Our Selves

 

 

Teil 1: 3. Dez. 2024, 18 Uhr
Teil 2: 25. Jan. 2025, 18 Uhr
Teil 3: 15. Feb. 2025, 18 Uhr

 

 

 

Im Rahmen von Rene Matićs Einzelausstellung AS OPPOSED TO THE TRUTH lädt eine dreiteilige Workshopreihe dazu ein, Fragen rund um Identität und Zugehörigkeit gemeinsam und auf unterschiedliche Weise zu erforschen. Das Programm umfasst eine Filmvorführung, eine Performance von mandhla. sowie die Premiere einer Videoarbeit von Octavia Bürgel.

In Matićs Arbeiten ist das Thema „Zuhause“ immer wieder präsent – sei es in Fotografien, Filmen, Soundarbeiten oder Poesie. Matić, die die Welt aus einer diasporischen Perspektive erlebt, richtet den Blick auf die Zwischenräume ihrer vielschichtigen Identitäten (Schwarz, britisch, queer) und findet dort Erzählungen von Fürsorge und Überleben inmitten von Entfremdung und Heimatlosigkeit. Matićs Perspektive zeigt, wie Menschen die Grenzen eines festgelegten Selbstverständnisses überschreiten, um in dieser zersplitterten Welt neue Verbindungen zu knüpfen. Für Matić ist „Zuhause“ ein universeller Ort, eine Utopie, die immer schon existierte – ein verborgener Raum, in dem das Persönliche und das Politische aufeinandertreffen und ineinander übergehen. 

Dieses Verschwimmen von Grenzen verweigert Definition und zeigt die Fähigkeit, uns für Verbindung und Gemeinschaft zu öffnen. Das „Verschwimmen“ wirkt auch subversiv, indem es Risse in einem System schafft, das Menschen isolieren und voneinander trennen möchte. Der Fotograf Zun Lee schreibt in seinem Essay Home Is Where We Displace Our Selves: „... Abolition beginnt beim Selbst, sodass wir unser individuelles Selbst zugunsten einer verschwommenen, untrennbaren Sozialität der Sinne aufgeben können.“[1] 

Mit dieser Workshopreihe laden wir das Publikum dazu ein, das Verschwimmen von Grenzen zu erkunden und die eigene Komfortzone zu verlassen, um eine Verbindung zu Matićs Werk zu finden. Ziel ist es, zu entdecken, wie persönliche und kollektive Geschichten dem Thema „Zuhause“ neue und vielfältige Bedeutungen verleihen können.

[1]Zun Lee, "Home Is Where We Displace Our Selves," in: All Incomplete, von Fred Moten und Stefano Harney, London: Minor Compositions, 2021, 169-172, 172.

Rene Matić
Many Rivers

Rene Matić, Many Rivers, 2022, Filmstille, Courtesy Rene Matić und Arcadia Missa, London.

Many Rivers (2022, 30 min) ist ein berührendes Porträt über Rene Matićs Vater Paul, das die zahlreichen Herausforderungen seines Lebens adressiert. Ausgehend von einer intimen Familiengeschichte beleuchtet der Film die spaltenden, oft gewaltvollen Strukturen von sozialer Klasse und Rassismus im Großbritannien der Nachkriegszeit. Paul, der von seiner irischen Mutter verlassen wurde und als Schwarzes Kind mit einem distanzierten Vater im kleinen Peterborough aufwächst, findet in der lokalen Skinhead-Szene ein Gefühl von Zugehörigkeit und Gemeinschaft. Die subkulturelle Jugendbewegung der Skinheads entstand im Großbritannien der späten 60er Jahre, als weiße und britisch-jamaikanische Jugendliche Seite an Seite zu Ska und Reggae tanzten. Später wurde die Subkultur mit der rechten Szene und der Fußballkultur in Verbindung gebracht. Für Matić ist die Skinhead-Bewegung ein Sinnbild für Erfahrungen des „Dazwischen-Seins“ – sie verbindet verschiedene Geschichten und Identitäten. Im Mittelpunkt von Pauls Geschichte stehen das Überleben und der Widerstand einer Diaspora der Arbeiterklasse. Matić beschreibt es so: „Diese Geschichte handelt von Ursache und Wirkung von Schmerz und Leid und davon, was – wenn überhaupt etwas – uns am Ende rettet.“

Im Anschluss an die Filmvorführung findet eine Diskussion statt, die von Nan Xi (Assistenzkuratorin) und Pauline Herrmann (Curatorial Fellow) moderiert wird. Die Diskussion wird sich an dem Essay Home Is Where We Displaced Our Selves des Fotografen Zun Lee orientieren, und findet auf Englisch statt. Freier Eintritt mit begrenzter Kapazität, Anmeldung erforderlich. Bitte meldet euch unter info ​@​ cca.berlin an.

Performance von mandhla.

Performance von mandhla. im CCA Berlin. Fotos: Diana Pfammatter/CCA Berlin

Als Teil des öffentlichen Begleitprogramms zu Rene Matićs Ausstellung AS OPPOSED TO THE TRUTH freuen wir uns, am 25. Jan. 2025 um 18 Uhr eine Performance von mandhla. zu präsentieren.

mandhla. ist eine trans-feminine Musikerin und Künstlerin, die in Simbabwe geboren wurde und aufgewachsen ist. Derzeit lebt sie in Berlin und präsentiert eine Mischung aus experimenteller R&B- und Soul-Musik, die mit visuellen Projektionen und performativem Tanz verbunden ist. Ihre Performance erzählt von den alltäglichen Prüfungen, die Trans*-, Enby- und Femme*-Körper mit Migrationshintergrund in Bezug auf Liebe, Identität, Intimität und Akzeptanz erleben. Durch die Integration von Voguing in ihre performative Praxis schöpft mandhla. aus dieser hoch stilisierten Tanzform, die von Harlems schwarzen und lateinamerikanischen LGBTQ+-Gemeinschaften und der Ballroom-Kultur geschaffen wurde, als Quelle des künstlerischen Ausdrucks und der Selbstermächtigung.

Ihre Performance im CCA Berlin ist eine Suche nach Heimat und Zugehörigkeit, gleichzeitig aber auch eine Reise voller Liebe und Stolz. mandhla. führt uns mit fließenden Bewegungen und bewussten Gesten durch die Räume der Ausstellung und reagiert auf die Installationen und Bilder von Rene Matić, indem sie Voguing den düsteren Konditionen der Marginalisierung, Objektivierung und Entmenschlichung gegnüberstellt, die bestimmte Körper immer noch mehr als andere heimsuchen. Im Dialog mit den Themen der Ausstellung – Sehnsucht und Liebe inmitten ungleicher Realitäten und widersprüchlicher Wahrheiten – bietet mandhla. durch ihre Performance einen Raum zum Nachdenken: Was brauchen wir zum Überleben?

Octavia Bürgel
My Poor Simulacrum

Octavia Bürgel, 2025, Filmstille. Courtesy die Künstlerin.

Als Teil des öffentlichen Begleitprogramms zu Rene Matićs Ausstellung AS OPPOSED TO THE TRUTH freuen wir uns, am 15. Feb. 2025 um 18 Uhr eine neue Videoarbeit von Octavia Bürgel zu präsentieren.

My Poor Simulacrum ist ein Video, das Bürgels Schreiben zu den Themen Fotografie und dem kolonialen Blick [colonial gaze] weiterentwickelt. Aufnahmen von Bürgels Lesung ihres Essays The Regime of Sight im Neuen Berliner Kunstverein n.b.k. 2023 dienen als Vektor, um die Verbindung zwischen dem Aufkommen der Fototechnologie im frühen 19. Jahrhundert und einem europäischen kolonialen Ethos der Überwachung und Kategorisierung zu untersuchen – ein Ethos, das trotz zunehmender Vielfalt bis heute im Medium der Fotografie fortbesteht. 

My Poor Simulacrum verknüpft diese Geschichte mit der korrupten Sichtbarkeit von schlechten Bildern, Internet-Memes und Jean Baudrillards Theorie der Simulakren. Die Videoarbeit schlägt einen diskursiven Ansatz zur Visualisierung von Schwarzsein vor – einen, der nicht auf jenen Vorstellungen von inhärenter Wahrheit und Faktizität beruht, die der Kamera historisch zugeschrieben wurden. Durch die Auseinandersetzung mit Themen wie Stellvertretung, Authentizität, Abstraktion und Opazität verweist Bürgels Film auf das subversive Potenzial der Bildproduktion als Mittel zur Infragestellung von Wahrheit.

Octavia Bürgel ist Autorin, Herausgeberin und Fotografin und lebt in New York und Berlin. Ihre Texte sind in Magazinen wie Flash Art, Frieze und 032c sowie in der demnächst erscheinenden Monografie Liz Collins: Motherload (Hirmer Verlag) und der 2024 Interjection Calendar (Montez Press). Ihre Fotografien sind in Zug, 032c und Novembre sowie in zahlreichen selbstveröffentlichten Zines erschienen.