Enzo Camacho & Ami Lien
Offerings for Escalante

Enzo Camacho & Ami Lien, Offerings for Escalante, Ausstellungsansichten, CCA Berlin, 2024. Fotos: Diana Pfammatter/CCA Berlin

CCA Berlin freut sich, die Ausstellung Offerings for Escalante des Künstlerduos Enzo Camacho & Ami Lien zu präsentieren. Die Zusammenarbeit zwischen dem philippinischen Künstler und der taiwanesisch-amerikanischen Künstlerin wird von dem Bewusstsein geprägt, dass sie gegenüber den Gemeinschaften, mit denen sie zusammenarbeiten, Verantwortung tragen. Ihre Arbeit basiert häufig auf regionalen Erfahrungen sozialer Kämpfe, wobei sie die Wechselbeziehung zwischen diesen lokalen Spannungspunkten und den Dynamiken des globalen Kapitals aufzeigen und künstlerisch zum Ausdruck bringen. Indem sie Zusammenhänge über Zeit und Ort hinweg herstellen, wollen sie der neokolonialen Ausbeutung und Enteignung von Menschen im Namen von Eigentum und Profit entgegentreten. 

CCA Berlins Ausstellung zeigt eine Reihe neuer Werke, die in Berlin und den Philippinen entstanden sind und stellt das bisher umfangreichste Projekt der Künstler dar. Offerings for Escalante ist das Ergebnis ihrer langjährigen Feldforschung auf der Plantageninsel Negros—der Heimat von Camachos Mutter—und ihrer umfassenden Untersuchung der anhaltenden Kämpfe für Ernährungssouveränität und Landgerechtigkeit über Landesgrenzen hinweg. Ein erster Ansatzpunkt für dieser Auseinandersetzung war The Angry Christ (der wütende Christus)—ein queer katholisches Wandgemälde vom philippinisch-amerikanischen Künstler Alfonso Ossorio, das für eine Kapelle der Zuckerarbeiter*innen auf Negros in Auftrag gegeben wurde. Die intensive Energie des Wandgemäldes und die Art und Weise, wie es seinen geografischen und politischen Kontext gleichzeitig offenbart und erschüttert, veranlassten Camacho und Lien dazu, eine besondere visuelle Sprache zu entwickeln, die sich über verschiedene Medien erstreckt und wodurch das Soziale, das Ökologische und das Ästhetische miteinander verbunden werden. 

Ausgehend von dem experimentellen Dokumentarfilm Langit Lupa (Himmel und Erde) befasst sich die Ausstellung mit verschiedenen Formen der Erinnerung und des Widerstands in Folge eines gewaltsamen Massakers in der Stadt Escalante im Jahr 1985, als paramilitärische Truppen auf friedliche Demonstrant*innen schossen. Da staatliche Brutalität und Unterdrückung in den Philippinen weiterhin mit dem Ziel fortbestehen, das Plantagensystem aufrechtzuerhalten, manifestiert sich die Gegenwart als ständiges Überbleibsel der historischen Unterwerfung des Landes und seiner Bevölkerung unter kolonialer und imperialer Herrschaft. Durch eine Assemblage persönlicher Zeugnisse, Aufnahmen von spielenden Kindern sowie traumhafter Sequenzen flackernder Formen aus der Pflanzenwelt der Insel, erschaffen Camacho und Lien einen Raum für andächtige Reflexion über Verlust, Erinnerung und das transformative Potenzial von Trauer. In dem Küstendorf, in dem die Künstler monatelang wohnten und arbeiteten, haben sich Camacho und Lien durch Spiele und Workshops zur Papierherstellung mit den einheimischen Kindern angefreundet und luden sie später ein, eine zentrale Rolle in dem Film zu übernehmen. Bewusst wendet sich Langit Lupa von der distanzierten Herangehensweise des traditionellen Dokumentarfilms ab und verkörpert eine Intimität im Rhythmus des Gemeinschaftslebens.

Der experimentelle Ansatz des Films findet sich auch in den anderen Arbeiten der Ausstellung wieder: eine 16mm-Animation aus pflanzlichen Materialien, eine kinetische Installation, die den Treppenraum durch das Zusammenspiel von Lichtprojektion und durchlässiger Zwiebelhaut transformiert, sowie handgefertigte Papierkompositionen, die alternative Vorstellungen von Land evozieren. Die Künstler nutzen das taktile Spiel mit gesammelten botanischen Materialien als zentralen Teil ihres Forschungsprozesses und schöpfen Erkenntnisse aus Experimenten, woraus eine kaleidoskopische Ästhetik entsteht. Camacho und Lien möchten einen fruchtbaren Boden anbieten, um Erzählungen zu kultivieren, die sich eindringlich gegen das Verstummen von Geschichten aussprechen—einen Boden, auf dem unaufhaltsame Artikulationen von Überleben, Widerstand und Erneuerung wachsen können. Die Ausstellung ist nicht nur ein „Offering“ für Escalante, sondern auch für andere Orte auf der Welt, die vom anhaltenden Kampf für Landgerechtigkeit, sowie von den transnationalen Bewegungen gegen kriegerische Besetzung, Privatisierung und Umweltzerstörung zeugen.

Die Ausstellung wird von einem öffentlichen Programm begleitet, das versucht, über verschiedene Formate Dialoge, Verbindungen und Allianzen anzuregen. Das öffentliche Programm umfasst Führungen, eine Konzert-Performance, ein vierteiliges Filmprogramm und ein eintägiges Symposium mit Aktivist*innen und Kollektiven aus Berlin, Manila und darüber hinaus. Durch diese Angebote möchten Camacho und Lien die dominante Erinnerungspolitik hinterfragen. Sie schaffen einen Raum für kontinuierliches und kollektives Lernen, Gespräche und Strategien, angesichts unserer zunehmend zersplitterten und eingeengten kulturellen Sphäre.

Enzo Camacho (*1985, Philippinen) und Ami Lien (*1987, USA) sind ein Künstlerduo, das zwischen New York und Berlin lebt. Gemeinsam hat das Duo Einzelausstellungen im Kunstverein Freiburg (2018) und im Hessel Museum of Art, Bard College, Annandale-on-Hudson (2018). Ihre Arbeiten wurden in Gruppenausstellungen in Tai Kwun Contemporary, Hongkong (2022); der 10th Asia Pacific Triennial, Queensland Art Gallery, Brisbane (2021); der 5th New Museum Triennial, New York (2021); der 39th EVA International, Limerick (2021); Manifesta 13, Marseille (2020); das Drawing Center, New York (2020); das Kuandu Museum of Fine Arts, Taipeh (2019); die Brunei Gallery, SOAS University of London (2019); das NTU Center for Contemporary Art, Singapur (2018); UCCA Center for Contemporary Art, Peking (2017); Jim Thompson Art Center, Bangkok (2017); und Green Papaya Art Projects, Manila (2009) gezeigt. 2023 wurden sie mit dem Gold Art Prize ausgezeichnet. Sie sind derzeit Senior Fellows am Lunder Institute of American Art am Colby College.

Diese Ausstellung im CCA Berlin ist das Ergebnis einer institutionsübergreifenden Zusammenarbeit mit Para Site, Hongkong, Glasgow International und MoMA PS1, New York.

 

Die Ausstellung in Berlin wird von der Karin und Uwe Hollweg Stiftung unterstützt. Unterstützt von WEMME Events GmbH. Besonderer Dank an Carson Chan und Alexander Menke.

Das begleitende Veranstaltungsprogramm zur Ausstellung wird durch die großzügige Unterstützung der Asymmetry Art Foundation und des ifa (Institut für Auslandsbeziehungen) ermöglicht.

Kuratoren: Fabian Schöneich mit Nan Xi
​Produktion: Franz Hempel

Enzo Camacho & Ami Lien, Portrait, 2024. Foto: Diana Pfammatter

Foyergebäude, Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, Berlin, 2024. Photo: Diana Pfammatter

Das öffentliche Begleitprogramm
Performance Langit/Lupa (Heaven/Earth) von Alyana Cabral (28. April 2024)
Filmprogramm Die Eule und der Engel kuratiert von Eugene Yiu Nam Cheung (7. Mai–18. Juni 2024)
Symposium mit Aktivist*innen und Kollektiven aus Manila und Berlin (16. Juni 2024)

Führungen
Freitag, 31. Mai, 17 Uhr
Freitag, 7. Juni, 17 Uhr
Samstag, 15. Juni, 12 Uhr
Samstag, 22. Juni, 12 Uhr

Weitere Informationen siehe Die Arbeiten in Offerings for Escalante.